GENDER PAYGAP – GENDER WAS?
- svenjaklassert
- 7. Okt. 2015
- 3 Min. Lesezeit

„Ich kann das einfach nicht!“ Meine Freundin Meike ist gerade 30 geworden, hat einen Master-Abschluss und einige Jahre Berufserfahrung im mittleren Management eines großen Unternehmens – sie hat einen sehr anspruchsvollen Job, der viel von ihr fordert, aber dem sie absolut gewachsen ist. Sie kann nämlich viel, fast alles, nur eines nicht: für ihre Arbeit mehr Gehalt fordern. „Das ist typisch für Frauen, oft wissen sie zwar, dass ihre Arbeitskraft mehr wert ist, aber es fällt ihnen schwer das einzufordern. Das ist auch ein Grund dafür, dass Frauen weniger verdienen als Männer,” sagt meine Freundin Hannah. Frauen verdienen weniger als Männer, Gehaltslücke, Gender Pay Gap – das hört man immer öfter in den Medien. Aber was heißt das eigentlich genau? Und wie viel weniger verdienen Frauen als Männer?
Gender Pay Gap
Der Gender Pay Gap gibt den prozentualen Unterschied zwischen dem Durchschnittslohn pro Stunde von Frauen und Männern an – in Deutschland betrug er im Jahr 2014 22 %. In Geld ausgedrückt: Frauen verdienten durchschnittlich 15,83 € pro Stunde, Männer hingegen 20,20 €. Es ist allerdings anzumerken, dass es durchaus Branchen gibt, in denen Frauen und Männer bei gleicher Position gleich viel verdienen, nämlich in tarifgebundenen Unternehmen*, sowie im öffentlichen Dienst.
Noch anschaulichere Beispiele für die Lohnlücke in verschiedenen Berufen findet man auf gleicherlohn.de.

Bereinigter Gender Pay Gap
Aber bevor jetzt gleich jemand den virtuellen Zeigefinger erhebt und kommentiert: „Frauen sind ja selbst Schuld, dass sie weniger verdienen, weil sie oft gar nicht Karriere machen wollen, lieber Kinder bekommen, dann nicht mehr Vollzeit arbeiten und außerdem schlecht bezahlte Berufe wählen!“ Ja, Frauen verdienen häufig weniger, weil sie seltener Führungspositionen innehaben, weil sie häufiger (schlecht bezahlte) „Frauenberufe“ ausüben, und weil sie häufiger in Teilzeit arbeiten. Wenn man diese Faktoren ausklammert, bleibt aber immer noch ein Gehaltsunterschied von ca. 7 % (2010), der bereinigte Gender Pay Gap. Dieser könnte laut dem statistischen Bundesamt noch geringer ausfallen, wenn Faktoren wie Erwerbsunterbrechungen und das individuelle Verhalten in Gehaltsverhandlungen in die Analysen miteinbezogen würden. Sind Frauen also wirklich selbst Schuld daran, dass sie weniger verdienen?
Wer ist Schuld?
Definitiv nein – die Schuld liegt zu einem großen Teil in unserer Gesellschaft, unseren Traditionen und Einstellungen. Statt auf eine Beantwortung der Schuldfrage zu pochen, sollte man deshalb über folgendes nachdenken: Warum sind Frauen tendentiell weniger karrierebewusst und haben seltener Führungspositionen? Ich glaube nicht, dass sie keine Karriere machen wollen – immerhin machen mehr Frauen als Männer Abitur oder einen Hochschulabschluss. Ich glaube nicht, dass sie Zeit und Geld in ihre Ausbildung investieren, um ihren Kindern später bei den Lateinhausaufgaben oder beim Verfassen von Hausarbeiten helfen zu können.
Kinder sind aber vermutlich einer der Gründe, warum bei vielen Frauen die Karriere irgendwann einknickt. Denn wenn Kinder da sind, brauchen ihre Eltern Zeit, um sich um sie zu kümmern. Selbst wenn sie professionell betreut werden, muss jemand sie von der Kita abholen, sie ins Bett bringen, ihre Wäsche waschen, usw. – in den meisten Fällen übernehmen den Großteil dieser unbezahlten Arbeit immer noch die Mütter. Und da die Tage der Mütter auch nur 24 Stunden lang sind, arbeiten die meistens Teilzeit oder einige Jahre gar nicht. Und schwupps ist die Möglichkeit auf einen Chefposten in den meisten Unternehmen weg.
Das Thema traditionelle Rollenverteilung könnte man noch weiter ausführen, das würde an dieser Stelle aber zu weit führen. Deshalb zurück zum unbereinigten Gender Pay Gap: wie oben schon erwähnt könnte dieser kleiner sein, wenn man das individuelle Verhalten in Lohnverhandlungen mit einbeziehen könnte. Dahinter steckt die Vermutung, dass Frauen schlechter Gehälter verhandeln können als Männer. Warum eigentlich? Immerhin haben sie ja mit ihren guten Abschlüssen eine gute Basis. Manche vermuten, dass sich Frauen zu schlecht verkaufen, zu wenig fordern und dass sie zu bescheiden sind. Für die Psychaterin Prof. Anita Riecher-Rössler liegt die Ursache in den Nachwehen der traditionellen Erziehung: Frauen haben schon als kleine Mädchen gelernt, sich zurück zu nehmen, nicht an etwas heranzugehen und etwas zu fordern, sondern bescheiden und zurückhaltend zu sein.
Um Frauen Gehaltsverhandlungen zu erleichtern, bzw. um generell für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen zu sorgen, möchte Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig noch in diesem Jahr ein Entgeltgleichheitsgesetz auf den Weg bringen. Bis das in Kraft tritt, können Frauen nur eins tun: sich trauen zu fragen und mehr zu fordern. Bei meiner Freundin Maike hat es funktioniert – trotzdem hat sie sich nach der Verhandlung geärgert, weil ihr rückblickend klar geworden ist, dass sie hätte mehr verlangen können. Manchmal frage ich mich, ob Bescheidenheit wirklich eine Tugend ist.
* Ausnahme: In Unternehmen mit Tarifverträgen mit Öffnungsklauseln können zum Tariflohn zusätzliche Zuschläge gezahlt werden.
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